Was ist Craft Beer?

Archive

Home > Bierwissen > Was ist Craft Beer?
von Hopfen sei Dank
|
1. Juli 2022
|
Aufrufe

Was ist Craft Beer?

Craft Beer, Craftbeer oder auch Craftbier ist eine Gattung von Bier, welche handwerklich hergestellt wird und nicht im großindustriellen Stil. Gerne werden die Biere vorn Craft Beer-Brauern heute auch auch als Kreativbiere bezeichnet, wobei als zu oft alte Bierstile neu interpretiert werden oder aber neue Bier-Kompositionen entstehen.

Übersetzt man das englische Wort „craft“ wortwörtlich ins Deutsche, so bedeutet dies „handwerklich“ – die Übersetzung von „Craft Beer“ wäre also „handwerklich hergestelltes Bier“. Das beantwortet aber die Frage „Was ist Craft Beer?“ noch nicht so wirklich. So ist beispielsweise der Beruf des Brauers nach dem Berufsbildungsgesetz ein Handwerksberuf. Hieraus könnte man nun schnell zu der Annahme kommen, dass jedes Bier, an dem ein Brauer beteiligt ist, Craft Bier wäre. Aber so einfach ist es nicht!

Der Begriff „Craft Beer“ kommt aus den Vereinigten Staaten. Dabei wird er auch gerne eingedeutscht genutzt, was dann zu der eingedeutschten Variante „Craft Bier“ führt. Manchmal sieht man auch den Begriff „Kraftbier“, was allerdings eher Kopfschütteln hervorruft als dass es das Richtige meint – denn es wirkt doch mehr gewollt als gekonnt.

Wo kommt Craft Beer her?

Craft Beer kommt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Um Craft Beer zu verstehen muss man jedoch historische Entwicklung betrachten. In den Jahren 1920 bis 1933 gab es die Prohibition in den Vereinigten Staaten, welche die Herstellung, den Transport und den Verkauf von Alkohol untersagte. Mit der Abschaffung der Prohibition 1933 war eine der Spätfolgen, dass die meisten Brauereien die vergangenen 13 Jahre wirtschaftlich nicht überlebten. Lediglich Großbrauereien konnten diese Zeit überstehen, wie z.B. Anheuser-Busch oder Yuengling. Heute ist Anheuser-Busch der größte Getränkekonzern der Welt und Yuengling eine der größten Brauereien der USA. Unter anderem ist dieses enormen Wachstum zurückzuführen darauf, dass man nach der Prohibition massenkompatible Lagerbiere braute, um den großen Bierdurst der Bevölkerung zu löschen. Diese wurden zum Teil mit Reis oder Mais gebraut, waren sehr schlank im Geschmack und zum Teil mit geringem Alkoholgehalt. In den 70ern führt Miller das “Lite Beer” ein, einen perfekten Durstlöscher, welcher aber nur noch geringfügig an den Biergeschmack erinnerte. Gerne wurde diese Biere auch zynisch “Near Water Beer” genannt, da sie doch eher an Wasser erinnerten als an Bier.

Im Laufe der Jahrzehnten dürstete es den Menschen nach anderen Bieren. Die Marktmacht der Konzerne verhinderte aber eine Entwicklung der Bierkultur und kontrollierten den gesamten Biermarkt der USA. Eine weitere Spätfolge der Prohibition war, dass das Heimbrauen nach wie vor gesetzlich verboten war. Nichtsdestoweniger entwickelte sich in den 70ern eine aktive Hobbybrauer-Szene in den USA, welche die als geschmacklos bezeichneten Biere ablehnte und eine Vorliebe für kreative und stärkere Biere hatte. 

Am 14. Oktober 1978 unterschrieb Präsident Jimmy Carter einen Gesetzesentwurf, der das Brauen in den eigenen vier Wänden gestattete. Jetzt konnten amerikanische Bürger bis zu 100 Gallonen zu Hause brauen. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich schnell ein Szene von Garagenbrauern und Mikrobrauereien und die Begriffe Craft Beer und Craft Brewing fingen an sich zu etablieren. Aus dieser Zeit heraus entstanden Craft Beer-Brauereien, die noch heute etabliert sind und nunmehr selbst zu größten Brauereien der USA gehörten. So z.B. Sierra Nevada (gegründet 1980), die mit ihrem Pale Ale im Gründungsjahr eine Benchmark für diesen Bierstil geschaffen haben oder aber die Boston Beer Company (gegründet 1985), die mit ihren Bieren unter dem Namen Samuel Adams bekannt ist.Die neuen Brauereien waren unabhängig von den Brauereikonzernen und grenzten sich massiv von diesen ab. Auch nutzten diese Brauereien gerne traditionelle europäische Bierrezepturen. In der sich entwickelten Craft Beer-Szene feierten Bierstile wie das IPA (India Pale Ale), das Pale oder die Gose ein Come Back.

Was ist Craft Beer in den Vereinigten Staaten?

In den Vereinigten Staaten hat die Brewers Association definiert, was Craft Beer, ein Craft Brewer oder Craft Brewing ist. Im ersten Schritt werden durch den US-Brauverband drei Kategorien von Brauereien kategorisiert:

  • Brewpubs
  • Microbreweries
  • Regional Craft Breweries

Generell gelten drei Schlagwörter: small, traditional, independent. Um es auch umsetzbar zu machen, wurden die drei Begriffe mit Zahlen und Indikatoren ausgestattet:

  • Small: Eine Craft Beer Brewery darf nicht mehr als 6 Millionen Barrel pro Jahr herstellen. Umgerechnet sind das ca. 7 Millionen Hektoliter.
  • Traditional: Die Produkte entscheiden. Das heißt, dass das Sortiment größtenteils aus traditionell gebrauten Bieren bestehen muss. Der Alkohol der Biere muss aus traditionellen und/oder inovativen Brauzutaten entstehen. Somit sind Hopfen, Malz, Hefe und Wasser erlaubt, aber auch weitere Zutaten wie Früchte, Kräuter uvm.
  • Independent: Die Brauerei muss unabhängig sein. Dies spiegelt sich im Besitzerverhältnis wieder: So darf ein Konzern aus der Alkoholbranche mit maximal 24,99% beteiligt sein. Ansonsten wäre die Brauerei abhängig und der Einfluss des Konzerns spürbar.

Insgesamt finden wir in den USA ca. 9.100 solche Brauereien, die ca. 20% des gesamten Bierumsatzes dort ausmachen. Und um einen Vergleich der Größe von Craft Beer Brauereien in den USA zu denen in Deutschland zu ziehen: mit ca. 5,7 Millionen Hektoliter wäre die Bitburger Brauerei theoretisch in den Vereinigten Staaten eine Craft Bier-Brauerei.

Was ist Craft Beer in Deutschland?

Wenn man Craft Beer für Deutschland definieren möchte, so kann man nicht die Kriterien der Brewers Association der USA zu Grunde legen, denn zum einen sind die Brauereien in Deutschland kleiner und zum anderen halten sich die meisten deutschen Brauereien an das Reinheitsgebot. Der Punkt Beteiligungen von Großkonzernen an Brauereien wäre ein Parameter, allerdings als alleiniges Kriterium unzureichend.

Der Verein Private Brauereien Bayern hat einen guten Ansatz gefunden, den wir allerdings um ein weiteres Kriterium erweitern und so zu einer – unserer Meinung nach – passenden Definition für Craft Beer kommen:

  1. Bei Craft Beer kennt man die Rohstoffe

    Es ist wichtig zu wissen, wo die Rohstoffe herkommen. Dabei ist die Qualität von Hopfen und Malz und das Wissen um den Produzenten wichtig – eben wie bei jedem Qualitätsprodukt.

  2. Craft Beer ist Tradition und Handwerk

    Es geht um Rezepte und um einen Brauprozess, bei dem Geschmack und Qualität im Vordergrund stehen und nicht die Effizienz von Produktionsanlagen.

  3. Craft Beer ist unabhängig und regional

    Eine geschmackliche Entfaltung braucht Unabhängigkeit. Denn nur zu oft bedingen regionale Besonderheiten auch eine regionale Geschmacksausprägung. Und so geht es bei Craft Bier nicht darum ein massentaugliches Bier herzustellen, was eine größtmögliche Absatzmenge garantiert. Des Weiteren benötigt Craft Bier nur zu oft kurze Vertriebswege, da es eine geringere Haltbarkeit hat als industriell gefertigte Biere.

  4. Bei Craft Beer kennt man den Brauer

    Es ist klar, wer der Brauer ist oder welches Brauteam hinter dem Bier steht. Es geht um Transparenz und um Vertrauen zum Brauer!

  5. Craft Beer bedeutet Geschmack

    Das Craft Bier muss schmecken! So muss das Craft Bier nicht zwingend jedem schmecken, aber es muss Charakter haben. Es sind Biere mit Ecken und Kanten.

  6. Craft Beer braucht Kreativität

    Craft Bier braucht Kreativität, Craft Bier braucht Mut. Denn nur so entstehen besondere Biere, die unsere Geschmacksrezeptoren manchmal vor Herausforderungen stellen und immer wieder spannende Geschmacksabenteuer liefern.

Die Craft Beer-Bewegung in Deutschland

1978 startete die Craft Beer-Bewegung in den USA. In der ersten Jahrzehnten breitete sich diese schnell über das ganze Land aus. Aber wie so oft, so verbreiten sich Trends aus den USA auch global. So auch geschehen mit Craft Beer, welches sich sukzessiv auf dem amerikanischen Kontinent, Europa, Afrika und Asien ausbreitete. In Deutschland kam der Trend Craft Beer ca. 2009 an. 

Einer der ersten Craft Beer-Brauer in Deutschland war Sebastian Sauer mit seinem Brand “Freigeist Bierkultur”. Unter diesem Label ist er weltweit als Gypsy-Brauer unterwegs und braut fröhlich mit anderen Brauerkollegen und -kolleginnen kreative Biere. Er beschäftigt sich viel mit historischen Braurezepturen und so hat er sich auch mit dem alten Bierstil der Gose auseinandergesetzt, welches ihm zum Durchbruch in den Vereinigten Staaten verhalf. Heute braut er unter anderem in den USA in drei unterschiedlichen Brauereie und ist mit Freigeist Biekultur dort sehr erfolgreich.

Im Jahr 2010 braute Fritz Wülfing sein “Fritz-Ales” und bezeichnete dieses als Craft Beer. Von diesem Zeitpunkt an war der Begriff nun endgültig in Deutschland angekommen. Leider musst Fritz Wülfing sein Bier umbenennen, da es schon die Limonaden-Marke Fritz gab. Heute heißt dieses Bier AleMania.

Ein weiterer Protagonist und early Adopter in Deutschland ist Hans Christian Müller. Ehemals Zahnarzt und Hobbybrauer ist er heute hauptberuflich Brauer und Besitzer einer eigenen Craft Beer-Brauerei in Aschaffenburg. Er gründete 2012 eines der ersten Craft Beer-Start ups in Franken, ist bis heute erfolgreich und vermarktet seine Bier unter dem Label Hanscraft.

Im Laufe der Zeit der verbreitete sich die Bewegung in ganz Deutschland, fokussierte sich zunächst in den Metropolen, wie in Berlin und Hamburg, und ist heute ein Teil der deutschen Brauerei Landschaft. Seit dem Jahr 2009 steigt die Anzahl an Brauereien in Deutschland kontinuierlich an: 2009 waren es 1331 und in 2021 waren es 1.512. Diese Entwicklung ist der Craft Beer-Bewegung in Deutschland geschuldet.

Wird Craft Beer nach dem Reinheitsgebot gebraut?

Oft schwirren Gerüchte durch die Gegend, dass Craft Beer sich nicht an das Reinheitsgebot hält oder dass man bewusst mit dem Reinheitsgebot brechen wolle, quasi als Aufstand gegen Etabliertes. Diese Aussagen mögen dem einen oder anderen Brauer Aufmerksamkeit bringen und als Marketing abgetan werden, denn mit der Realität haben sie aber wenig zu tun. 

  1. Craft Beer ist eine internationale Bewegung und das Reinheitsgebot ist eine deutsche Erfindung, welche auch nur in Deutschland gebetsmühlenartig kommuniziert wird.
  2. Die Craft Beer-Bewegung legt Wert auf das handwerkliche Herstellen von Bieren, also auf eine nicht-industrielle Produktion und das die Rohstoffe traditionell sind. Dies steht nicht im Konflikt mit dem Reinheitsgebot.
  3. Das Reinheitsgebot besagt, dass man zum Bierbrauen Wasser, Gerstenmalz, Hefe und Hopfen verwenden darf. Es gibt genügend Craft Biere die so gebraut sind. Und warum sollte auch nicht ein Pils in erstklassiger Qualität in Deutschland handwerklich gebraut werden?!

Fazit: Reinheitsgebot und Craft Beer gegeneinander zu setzen ist in etwa so wie Äpfel und Birnen miteinander zu vergleichen. Beide konkurrieren nicht miteinander sondern können sich ergänzen, müssen es aber nicht zwangsläufig!

Warum Craft Bier ist zumeist teurer?

Dies hat vorwiegend mit zwei Faktoren zu tun. Zum einen liegt es an den Rohstoffen. Da hier auf Qualität gesetzt wird und sich die Brauer beim Hopfen oft nicht lumpen lassen – sprich sie verwenden mehr oder besonderen Hopfen, um ein möglichst aromatisches Bier zu brauen – kosten die Rohstoffe im Verhältnis mehr als bei einem normalen/industriellen Bier. Bei Craft Beer wird zumeist Hopfen bzw. Hopfen Pellets verarbeitet, die starke Aromen ausbringen. Im industriellen Prozess wird Hopfenextrakt verwendet, welches nur eine geringe Aromatik hat und lediglich für die Bitterkeit sorgt. Der Kostenfaktor zwischen Hopfenpellets und Hopfenextrakt ist 100:1. 

Craft Brauer brauen oft in kleineren Mengen. Somit erhöht sich u.a. der Fixkostenanteil pro gebrautem Liter.

Auch bei anderen landwirtschaftlichen produzierten Gütern lässt sich selbiger Effekt feststellen. So sind Bio-Brote von kleinen Bäckereien teurer als Brote beim Discounter, aber auch geschmacklich eine andere Welt. Gleiches gilt für Käse, Weine, Wurstwaren oder sogar bei Zigarren.

Wo gibt es Craft Beer?

Das Thema Craft Beer ist in Deutschland definitiv angekommen. Mittlerweile findet man eine Auswahl im gut sortierten Getränkehandel, in manchen Städten gibt es sogar eigene Craft Beer Shops. Auch findet man in der Gastronomie hier und da ein Craft Beer auf der Karte, oft in Burger-Läden oder kleinen Restaurants, die aus der Streetfood-Bewegung entstanden sind. Aber auch die gehobene Gastronomie hat Craft Beer für sich entdeckt. So gibt es ist einigen Restaurants auch Bierempfehlungen zu den jeweiligen Gerichten. 

Da die Auswahl an unterschiedlichen Craft Bieren enorm ist und die Haltbarkeit dieser Biere – im Gegensatz zu den Industriebieren – nicht unendlich ist, bieten sich Online Craft Beer Shops an.

Ansonsten empfehlen sich immer Craft Beer Tastings, Biermessen oder unsere Hopfenfeste.Wenn ihr in Sachen Hopfenfeste und Tastings auf dem Laufenden bleiben wollt, folgt uns bei Facebook, Instagram und abonniert unseren Newsletter!

Welches Craft Beer sollte man getrunken haben?

Um Craft Beer zu verstehen, bietet es sich an einige Meilensteine der Entwicklung probiert zu haben. Hier eine kleine Auswahl mit Erläuterungen und warum diese Biere Meilensteine sind:

Pale Ale von Sierra Nevada 

Sierra Nevada wer einer der ersten Craft Beer-Brauereien in den USA und wurde 1980 gegründet. Für das erste Bier wurde die alte Rezeptur für ein Pale Ale verwendet, welches um den Aromahopfen Cascade bereichert wurde.

Backbonesplitter von Hanscraft

Mit dem West Coast IPA “Backbonesplitter” hatte Hans Christian Müller mit seiner Biermarke Hanscraft 2013 den Durchbruch. Dieses Bier ist eine echt Hopfenbombe und ist mit 60 Bittereinheiten kräftig. Es werden die Aromahopfen Amarillo, Summit, Simcoe und Magnum verwendet

Pfefferkörner von Freigeist Bierkultur

Fast alle Biere von Freigeist sind Projekte, sprich wenn alle dann alle. Einige wenige Biere gibt es dauerhaft. Um die Arbeit des deutschen Craft Beer-Pioniers Sebastian Sauer ein wenig zu verstehen, empfiehlt sich das Bier “Pfefferkörner”. Es ist ein obergäriges Weizenbier, welches mit einem Pfeffersud gewürzt ist, der aus Kampot-Pfeffer entsteht.

“Ingwer Pale Ale” von Mücke

Die Craft Beer-Brauerei aus Essen aus dem Ruhrgebiet steht für innvoative und sehr gut trinkbare Bier. So ist das “Ingwer Pale Ale” zum einen ein Bier, welches zum eine exotisch anmutet, zum anderen eine sehr hohe drinkability hat. Es sticht aus der Craft Beer-Landschaft wie ein Leuchtturm hervor.

“Schorschbock” von Schorschbräu

Schorschbräu aus Franken  hat sich lange mit der schottischen Brauerei Brew Dog gebattelt, wer das stärkste Bier braut. Gewonnen hat Schorschbräu mit dem Schorschbock, der ein Bier gebraut hat, welches nur 57% Alkohol inne hat.

“Export” von Bergmann

1972 wurde die Traditionsbrauerei aus Dortmund geschlossen. Im Jahr 2005 wurde die Marke reaktiviert. Heute gibt es wieder Bergmann Bier inklusive eigener Brauerei und zahlreicher eigenen Gastronomien, alles in Dortmund. Mit dem Wiederaufbau der Bergmann-Brauerei wurde auch der klassische Dortmunder Bierstil Export im Portfolio aufgenommen. Ein tolles Bier, welche malziger als ein Pils daherkommt und auch stärker eingebraut ist.

Top envelopephone-handsetcross
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram